Würde man Jugendliche fragen, so würde ein klassisches Konzert beschrieben, als Abendveranstaltung für alte Leute im Pelz, die nach Körperpuder, Haarspray und Mottenkugeln riechen. Die Musikstücke werden noch wie vor 100 Jahren präsentiert. Namenlose Musiker widmen sich auf der Bühne ausschließlich ihren Instrumenten. Der Zuhörer ist nicht willkommen, sondern bestenfalls geduldet.
Um die Musik verstehen zu können, muss man vorher schon wissen, zu welchem Zeitpunkt welcher Ton gespielt wird. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass der Hörgenuss durch die schlechte Akustik der Räume von vornherein eingeschränkt wird. Auf schlechten Sitzmöbeln muss man ewig still sitzen. Spontaner Applaus und Begeisterung sind genauso unerwünscht, wie nicht standesgemäße Kleidung.
Klassische Musik ist ein sehr weitgefasster Begriff. Im allgemeinen Sprachgebrauch grenzt er die Volksmusik (U-Musik) aus und umfasst die höfische Musik (E-Musik) vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit. Dazu muss diese den Kriterien der hergebrachten Harmonielehre, Satzform und Kompositionsweise, teilweise auch der Instrumentierung, entsprechen. Musik, die im Gegensatz zur Kirchenmusik für den weltlichen Gebrauch bestimmt war, wurde früher als Kammermusik (für die fürstlichen Kammern bzw. Räume) bezeichnet. Heute wird unter Kammermusik die Aufführung von klassischer Musik durch ein kleines Instrumental-Ensemble als Gegenstück zum großen Orchester verstanden.
Konzerte werden im Allgemeinen als Aufführung weltlicher Musik erklärt, bei welcher keine szenische Darstellung erforderlich ist. Klassische Musikaufführungen, beispielsweise in der Oper oder im Ballett werden nicht als Konzert bezeichnet.
Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fanden Konzerte entweder in Kirchen oder in Privathäusern bzw. musikalischen Zirkeln statt. Aus den bürgerlichen privaten Musikgesellschaften entwickelten sich die Aufführungen, denen ein interessiertes Publikum gegen eine Gebühr beiwohnen durfte. Die ersten in diesem Sinne öffentlichen Konzerte veranstaltete wahrscheinlich John Banister (1625-1679, Geiger, Komponist und Hofmusikmeister von Queen Anne), im Jahre 1672 in England. Bereits 1678 wurden die York Buildings in London mit einem eigens dafür vorgesehenen Konzertsaal eingerichtet, dem wahrscheinlich ersten öffentlichen Konzertsaal in Europa. Im deutschsprachigen Raum bildete sich erst im Ende des 18. Jahrhunderts eine öffentliche Konzertkultur heraus. Mit der Eröffnung des Gewandhauses in Leipzig 1781 erlebten vor allem die Orchester einen enormen Aufschwung. Seitdem entwickelten sich diese Aufführungen zu organisierten und kommerzialisierten Unternehmungen, vom Kammerkonzert bis zum Festspiel.
Im Musikgeschäft sowie bei der Bewertung der Musik, z. B. durch die GEMA wird nach wie vor mit der Differenzierung zwischen 'klassischer' E-Musik (ernster Musik) und U-Musik (Unterhaltungsmusik) argumentiert. Auch wenn heute in der klassischen Musik versucht wird, die Konzerte aufzulockern, indem man sie an den verschiedensten Orten veranstaltet, gelingt es nur selten, den Ernst zugunsten der Unterhaltung zurücktreten zu lassen.
Die strikte Trennung von E-Musik und U-Musik stigmatisiert die ernste Musik in freudlos, schwer verständlich und spießig. Tageszeitungen, wie zum Beispiel das Hamburger Abendblatt kündigen U-Musik unter der Rubrik Clubs & Konzerte, E-Musik unter Kultur an!
Nur selten wird ein Konzert als Veranstaltung definiert, in der Musik für Zuhörer aufgeführt wird. Das bedeutet, die Musik wird nicht als Selbstzweck, sondern zum Gefallen als Dienstleistung angeboten. Das könnte mehr beinhalten als einen berühmten Dirigenten oder ein angesehenes Orchester. Dieser Gedanke ist weder neu noch besonders originell. Schon in der Spätromantik tauchte die Idee der Musikpräsentation als Gesamtkunstwerk schon einmal auf. Dabei wurde nicht zuletzt an eine sinnliche Unterstützung der Musik durch Licht- und Duftorgeln gedacht.
Besucher klassischer Musik geben die gleichen Argumente für den Konzertbesuch an, wie Besucher von Rock- oder Jazzkonzerten: das Live-Erlebnis, das Orchester, die Musikstücke und die gemeinsame Unternehmung mit Freunden. Bedenkt man, dass mehr 60 % der Besucher einen (Fach-)Hochschul- oder Universitätsabschluss haben, verwundern die weiteren Gründe: der Lebensstil, das Gefühl der kulturellen Bildung und des Entspannens nicht. Das Durchschnittsalter der Besucher verschiedener Konzerthäuser in Deutschland wird mit knapp 60 Jahren angegeben, die Streuung um dieses Alter ist nicht sehr groß. Die unter 30-Jährigen bilden erwartungsgemäß die kleinste Gruppe der Konzertbesucher.
Das lässt die Befürchtung zu, dass die Konzertsäle in den nächsten zwanzig Jahren verwaist sein werden. Um das zu verhindern, muss wieder etwas Glamour in die Konzerte mit klassischer Musik gebracht werden. Künstler wie Nigel Kennedy oder Vanessa Mae zeigen, dass Virtuosität und Popularität sich nicht gegenseitig ausschließen müssen. Innerhalb der Klassikszene gibt es allerdings genügend Kritiker, die genau das glauben und dazu beitragen, dass die Trennung zwischen In- und Outsidern erhalten bleibt.
Eine Studie von Vaclav Drabek zeigt, dass der Anteil an Schülern mit Interesse für ernste Musik von 15% in 1981 auf 10% in 1994 gesunken war. Eine neue Untersuchung eines englischen Radiosenders aus 2005 zeigt, dass das Interesse für klassische Musik von allen Musikrichtungen am geringsten ist. Die Gründe für die Verweigerung von Konzertbesuchen sind wahrscheinlich vielfältig. Einer davon scheint prominent. Klassische Musik setzt sich aus einer Fülle an unterschiedlichen Stilen, Komponisten und Instrumentierungen zusammen. Es ist für einen Laien schwierig, sich einen Einblick oder einen Überblick zu verschaffen. Das Interesse ist vielleicht da, aber die Hürden für einen Einstieg scheinen zu hoch. Ein weiterer ist mit Sicherheit das unausgewogene Preis-Leistungs-Niveau, gemessen an den Bedürfnissen der Besucher.
Im Gegensatz zu den Besuchern gibt es unzählige sehr junge Musiker, die klassische Musik studieren und spielen. Musikwettbewerbe haben großen Zulauf, es gibt ausgezeichnete Solisten und die Junge Deutsche Philharmonie ist ein Spitzenorchester auf internationalem Niveau. Wenn diese jungen Musiker es schaffen könnten, Altersgenossen für ihre Arbeit zu begeistern, wäre jede Angst um die Konzertkultur unnötig.
Musik ist angenehm zu hören, doch ewig braucht sie nicht zu währen.
W. Busch (1832-1908)